Eintauchen in eine andere Welt: Um ihre Partnerschule in Deutschland kennenzulernen, besuchten Fahad Mohamed Mukhandi (18) und Joseph Richard Saitoti (17) von der One World Secondary School Kilimanjaro in Tansania für zwei Monate die Steinmühle. Sie folgten am Ende ihres Aufenthaltes einer Einladung ins Marburger Rathaus zu Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. Der Präsenz der tansanischen Schüler war der Tansania-Besuch einer Steinmühlengruppe Anfang des Jahres vorausgegangen, über den wir im Monat März dieser Chronik berichteten. Den Abschluss der gelebten Partnerschaft zwischen den Menschen aus zwei Kontinenten bildete schließlich der Aufenthalt des Bürgermeisters aus dem tansanischen Moshi und seiner Delegation in Marburg.
Beeindruckender Titel
„Honourable Mayor of the City of Moshi Zuberi Abdallah Kidumo – eine schöne Anrede“ bewunderte der Oberbürgermeister von Marburg den Titel seines Amtskollegen aus Moshi, dessen Besuch bereits avisiert war, als die beiden jungen Männer aus Tansania in Begleitung von Steinmühlen-Schulleiter Björn Gemmer und einer Schülergruppe ins Marburger Rathaus kamen. Fahad und Joseph tauschten sich mit dem Marburger Stadtoberhaupt zur seit anderhalb Jahren zwischen Moshi und Marburg bestehenden Partnerschaft und zu weiteren Themen aus.
Vorurteile abbauen oder gar nicht erst entstehen lassen
„Der Dialog mit Menschen aus anderen Ländern erweitert den eigenen Erfahrungshorizont und hilft, Vorurteile abzubauen beziehungsweise sie gar nicht erst entstehen zu lassen“, sagte der Marburger Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies während des Empfangs im Stadtverordnetensitzungssaal. „Ich freue mich zu sehen, wie unsere Partnerschaft mit Moshi auch von unseren Schülerinnen und Schülern mit Leben gefüllt wird und sich auch die jüngeren Generationen miteinander vernetzen“.
Moshi, die Partnerstadt von Marburg, ist auch auf anderer Ebene mit Marburg verbunden. Es existiert eine Klinikpartnerschaft zwischen beiden Städten, die von Dr. Christian Kreisel koordiniert wird. Er ist gleichzeitig Vorstandsmitglied des Freundeskreises Marburg-Moshi e.V..
Finanzierung war eine Herausforderung
Fahad Mohamed Mukhandi und Joseph Richard Saitoti sprechen Englisch und auch etwas Deutsch. Die Finanzierung ihres Aufenthaltes in Marburg war nicht einfach.
Michael Müller, Mitarbeiter der Stadt Marburg, setzte sich besonders dafür ein, die Herausforderungen zu stemmen. Letztlich war es gelungen, Förderungen für die Reisekosten einzuwerben, unter anderem durch das Städtepartnerschaftsprogramm der Stadt Marburg. Mit ins Boot sprangen auch der Rotary Club Marburg und der Schulverein Steinmühle. Denn die Eltern der tansanischen Schüler haben kein Geld, um einen solchen Austausch zu finanzieren. Das durchschnittliche monatliche Bruttoeinkommen liegt in Tansania bei etwas über 90 Euro.
„I liked Schnitzel und die Allianz-Arena“
Für die Dauer ihres Aufenthalts in Marburg waren Fahad und Joseph nacheinander in den Familien von sechs Schülern untergebracht, die ihrerseits in Tansania waren. Die Gastfamilien übernahmen jeweils Kost und Logis. Sie organisierten und bezahlten zudem ein attraktives Freizeitprogramm mit Ausflügen an verschiedene Orte in Deutschland, unter anderem nach München. Begeisternd für Fahad und Joseph unter anderem die Bauweise der Häuser und das Essen. „I liked Schnitzel. Und die Allianz-Arena in München“.
Sie fanden einhellig: „Es hat uns hier sehr gut gefallen und wir würden gerne wiederkommen“.
Ein Abschiedsfest zusammen mit Schulleiter Björn Gemmer und den Gastfamilien beschloss den Aufenthalt der beiden jungen Männer aus Tansania, die noch einmal mit Nachdruck die Freundlichkeit der Menschen in Deutschland lobten und sich mit einer ans Herz gehenden Rede verabschiedeten.
Die Steinmühle dankt nochmals allen, die zum Gelingen dieses Austausches beigetragen haben.
Moshis Bürgermeister kam mit Delegation
In Begleitung zweier Mitarbeiterinnen traf er an der Steinmühle ein: Das Oberhaupt der tansanischen Stadt Moshi mit dem imposanten Titel Honourable Mayor of the City of Moshi Zuberi Abdallah Kidumo. Er ist Bürgermeister der 200.000-Einwohner-Stadt, die als sauberste Stadt Tansanias gilt. Den Bürgermeister begleiteten Frau Mwajuma Abasy Nasombe, Municipal Director of the City of Moshi, und Frau Monica Charles Sana, Planning and Coordination officer of the City of Moshi. Sie tauschten sich mit Lehrkräften der Steinmühle und einer Schülergruppe des Jahrgangs 11 über die Unterschiede des Schulsystems, die Abläufe der Wissensvermittlung und die großen atmosphärischen Unterschiede im Verhältnis von Schülern und Lehrkräften aus.
Bestrafungen und reines Auswendiglernen
Die größten Unterschiede bei der Beschulung junger Menschen zwischen Tansania und Deutschland sind schnell beschrieben: Bestrafungen und Schläge sind die gravierendsten Maßnahmen im tansanischen Schulalltag und leider an der Tagesordnung, während hier ein ernstes Gespräch mit dem Schulleiter in bedeutenderen Fällen meist schon das Seine tut. Lerninhalte zu hinterfragen, ist in Tansania nicht vorgesehen. Es geht um striktes Auswendiglernen und nicht darum, darüber zu diskutieren. Nicht immer besteht echtes Interesse an der Materie: Es wird gelernt, um Strafen zu vermeiden. Die Möglichkeiten der Wissensaufnahme sind häufig limitiert. Zwei Bücher für 80 Schüler sind keine Seltenheit.
Neben den Abweichungen im Schulunterricht gibt es weitere Unterschiede zwischen Tansania und Deutschland: „The biggest difference is the wheather“, hatten vorher bereits die tansanischen Schüler Fahad und Joseph schmunzelnd bemerkt. Im Umgang mit der älteren Generation kann man sich hierzulande von den tansanischen Gepflogenheiten noch einiges abschauen: Ältere Menschen werden dort ausdrücklich respektvoll behandelt. Das Grüßen bei einer Begegnung ist an der Tagesordnung.










