Nachhaltigkeitsmanagement – eine zukunftsträchtige Ergänzung zum BWL-Studium
Wie kombiniert man die besonderen Herausforderungen der Nachhaltigkeit mit dem populären Studiengang BWL?
Einer, der das wissen muss, ist Prof. Dr. Julian Conrads. Seit drei Jahren lehrt er Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Nachhaltigkeitsmanagement an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM). Sein Vortrag an der Steinmühle auf Einladung von Bernd Hülsbeck, Fachlehrer und Leiter des gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfelds an unserer Schule, leistete einen Beitrag zur Berufsorientierung und förderte einmal mehr den Austausch mit der Universität.
Im Fokus: Textilherstellung, Mensch und Umwelt
Das Thema betrifft alle und zum Mitreden braucht man nur an sich herunterzuschauen: Was habe ich da eigentlich an? Die Textilherstellung auf unserem Globus ist ein heißes Eisen, grundsätzlich wohlbekannt, aber gern verdrängt. Teure Markenhersteller verzichten doch bestimmt auf schlechte Arbeitsbedingungen, so beruhigen sich viele und schieben die entstehende Umweltbelastung aus der Textilindustrie nur den Billigproduzenten zu. – Ist oft so und kann stimmen, muss aber nicht, wie Prof. Conrads weiß.
Beanspruchung aller denkbaren Ressourcen
Vietnam, Taiwan, Bangladesh: Conrads hat sich persönlich überzeugt, unter welchen Bedingungen das entsteht, was wir tragen und wie zum Beispiel Rucksäcke zusammengenäht werden. Um den Dreiklang der Nachhaltigkeit soll es gehen, Okölogie, Ökonomie und Soziales. In dem Bewusstsein, dass Synthetik erdölbasiert entsteht und das Färben, neben dem Baumwollanbau, die Ressource Wasser enorm strapaziert, lässt sich gleich ein weiterer Paukenschlag verkünden: Mit 1,2 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr und 6-8 Prozent der globalen Emissionen belastet die Textilindustrie unser Klima mehr als Flugverkehr und Schiffahrt zusammen.
Tatsächlich, all diese Zahlen sollte man kennen. Und weitere Beispiele kommen gleich hinterher: Die Textilindustrie verschlingt 20 Prozent des weltweiten Wasservolumens. Pro Kilogramm Kleidung werden in der Produktion rund ein Kilogramm Chemikalien verarbeitet.
Arbeitsbedingungen im Blick
Tatsache neben diesen ernüchternden Fakten ist aber auch, dass die Textilindustrie global ein großer Arbeitgeber ist. Man spricht von 70 Millionen Menschen, die besonders in den Entwicklungs- oder Schwellenländern ihren Lebensunterhalt daraus bestreiten. Doch auch diese Zahlen relativieren sich durch oft unzureichende Löhne für die Mitarbeitenden, die meist weiblich und nicht selten rechtelos sind. Nicht nur die Natur wird bei der Herstellung von Textilien durch Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden beansprucht. Auch die Ressource Mensch, seine Arbeitskraft.
Die Einhaltung der Kernarbeitsnormen ist Teil sozialer Verantwortung. Dazu gehören der Verzicht auf Zwangsarbeit, eine gute Entlohnung und gute Arbeitszeiten. Zur Erreichung beziehungsweise Einhaltung bestimmter Standards führen unabhängige Drittfirmen Audits durch. Ein wichtiges Kriterium ist in diesem Zusammenhang auch der Ausschluss von Kinderarbeit.
Business-Erklärungen setzen Signal
Damit die meist weiblichen Bediensteten ihre Rechte kennenlernen, gibt es für sie Schulungen in den Bereichen Arbeitsschutz und Arbeitsrecht. Beschwerdehotlines können in Anspruch genommen werden, wenn die Bedingungen vor Ort nicht rechtskonform erscheinen. Um ein entsprechendes Signal zu setzen, geben Unternehmen eine Business-Erklärung ab, in der sie formulieren, sich nachhaltig aufzustellen. Hier geht es auch um Lieferketten, um die Vielfalt der Zulieferer und die zu verarbeitenden Substanzen mit ihrer hohen Komplexität.
Lohnt sich nachhaltiges Wirtschaften ökonomisch?
Die Übernahme sozialer Verantwortung und nachhaltiges Wirtschaften sind für Unternehmen mit Kosten verbunden. – Kann sich das überhaupt noch ökonomisch lohnen? fragte der Referent in die Runde, bestehend aus Schülerinnen und Schülern des Steinmühlenjahrgangs 11. Sie hatten die richtige Antwort parat. Damit dies so ist, setzen Firmen auf Marketing, auf die Bildung einer entsprechenden Reputation, die bis zum Verbraucher heranwirkt.
Mögliche Berufsbilder
Der Studiengang Betriebswirtschaftslehre (BWL) Nachhaltigkeitsmanagement mit dem Bachelor-Abschluss (B.Sc.) kann beruflich in Unternehmensführung münden, in Arbeit bei Non Government Organisations (NGO), in eine politische Tätigkeit oder in die Gründung eines Unternehmens. Prof. Conrads: „Es ist ein BWL-Zusatz. Wir versuchen, das Thema Nachhaltigkeit für Betriebswirtschaftslehre normal werden zu lassen“.