Bei namhaften Firmen sei er regelmäßig als Redner zu Gast, von einer Schule sei er aber noch nie eingeladen worden. – Diese Äußerung von Deutschlands bekanntestem Mathe-YouTuber Daniel Jung in einem Beitrag des Kundenmagazins der Deutschen Bahn mochte Schulleiter Björn Gemmer nicht so stehen lassen. Schulleitung und Steinmühlen-Geschäftsführung erreichten die Zusage des „Mathe-Rockstars“ für einen Vortrag in der Steinmühle. Der füllte am Mittwoch Abend die Zuschauerreihen des Forums.
Lange Vorreden hält er in seinen Videos nicht. Daniel Jung kommt gleich zur Sache – und genau das scheint seinen weit über 600.000 Followern zu gefallen. Es geht nicht um Beauty, Mode oder Fitness wie bei unzähligen anderen YouTubern. Daniel Jungs Leidenschaft ist – die Mathematik! Gelächter im Saal, als der Referent auf der Steinmühlenbühne imitiert, wie er im Video ins Bild vor die Kamera tritt – und wieder hinaus. So kennen ihn viele, die im Internet Lösungen für mathematische Probleme suchen – und finden.
Beiträge über Stochastik, lineare Gleichungssysteme und andere mathematische Aufgabenstellungen, die vielen Schülern und auch Studenten das Leben schwer machen, hat der 1981 in Remscheid geborene Jung in über 2.200 Erklärvideos zusammengefasst. Die Beiträge, jeweils nur wenige Minuten lang, sind der Renner auf YouTube. Über 200 Millionen mal wurden seine Videos bereits angeklickt. Die Dankeskommentare unter seinen Beiträgen sprechen ihre eigene Sprache. „Oh mein Gott, du hast mir im Abi den A…. gerettet“, heißt es da zum Beispiel. Oder:“Ich habe bei dir in 60 Sekunden mehr gelernt als in einem halben Jahr Matheunterricht.“
Einen Generationenkonflikt aufbrechen
Dabei sieht sich der eloquente Enddreißiger, der Mathe und Sport studierte, aber letztlich doch keine Lehrer-Laufbahn im schulischen Sinne einschlug, nicht als Konkurrenz zur Schule, sondern als Ergänzung: Es brauche das schulische Kolloquium, „aber der Mensch ist nicht für 45 Minuten Druckbetankung gemacht.“ Neben diesem Umstand könne erwiesenermaßen ein Einzellehrer mehr erreichen als Unterricht in der Gruppe. Und: „Mein Stoff ist von überall aus jederzeit abrufbar.“ Daniel Jung, der unter anderem auch die Plattform mathefragen.de bespielt und die Daniel Jung Academy gründete, sieht sich als Unternehmer. Sein Anliegen ist, „new learning“ zu entschlüsseln, einen Generationenkonflikt aufzubrechen und klarzumachen: „Nicht nur dicke Bücher können Wissen vermitteln, sondern auch das Internet.“
Mit seinem Ansatz – aufrüttelnd auf die Leinwand des Forums geworfen – setzt Jung einen Donnerschlag: „Die Art, wie wir lehren und lernen, steht an einem Wendepunkt, wie wir ihn seit eintausend Jahren nicht erlebt haben.“ Daran änderten auch Statements der Andersdenkenden nichts, die Lernvideos verteufelten mit dem Hinweis, sie seien für schulisches Lernen das, was Amazon für den Einzelhandel sei. „Wir sollten junge Menschen dort abholen, wo sie sich sowieso aufhalten, nämlich im Internet,“ so der Referent.
Schüler- und Lehrerschaft ermutigte er daher zur Nutzung des Internets, um interessante Inhalte zu verbreiten: „Haut euer Wissen in die Welt. Es macht Spaß, anderen zu helfen.“