„Wenn wir mal was nicht hatten, dann hatten wir uns“
Lernen, mit wenig zurechtzukommen, mit einfachen Mitteln zu leben, eine Weile auf mitteleuropäischen Komfort zu verzichten – das macht den Aufenthalt in Tansania aus. Ein Blick über den Tellerrand, den Alltag auf einem anderen Kontinent kennenlernen, Maßstäbe definieren und den Wert einer Gemeinschaft schätzen. – Zum zweiten Mal besuchten Schülerinnen und Schüler der Steinmühle ihre Partnerschule in Afrika, die One World Secondary School Kilimanjaro in Kisangara. Ihr Fazit: Wir fahren wieder hin. Trotz mancher Umständlichkeiten, trotz fehlenden Komforts.
„Wir haben vieles neu entdeckt“
Sie waren zu dritt – und das war gut so: Paul Schicha, Matteo Deja und Ida Kraft. „Wenn wir mal was nicht hatten, dann hatten wir uns“. Beeindruckende Worte von Zehntklässlern, die ohne Drama und ohne Beschönigung erzählen.
Die Gewöhnung an die handyfreie Zeit, genau dreiundzwanzigeinhalb Stunden täglich und das sechs Wochen lang, ging schneller als geglaubt. „Wir entdeckten vieles, wozu wir sonst kaum Zugang finden.
Arbeiten, chillen, philosophieren
Tatsächlich – man kann ohne Handy überleben. Projekte der Praktikanten, immer vor Ort, luden zum Mitmachen ein: Mal-Workshops, Sporttage mit Fußball und Basketball mittwochs und samstags. Es wurden Musik gemacht, der Deutsch-Raum gestrichen nach Ying und Yang.
Arbeiten, aber auch chillen gehörte zum Programm in einer Umgebung, in der Natur und Gegebenheiten so genommen wurden wie sie waren – mit einem Hauch von Heimweh am Anfang und nach Eingewöhnung mit der Frage, ob Geld wirklich glücklich macht.
Bei Fragen gab es Lösungen
Die One World Secondary School Kilimanjaro, gegründet von dem deutschen Ehepaar Swantje und Dr. Karl-Heinz Köhler, ist ein deutsch-tansanisches Projekt. Hier werden Schulkinder nicht geschlagen – eine absolute Ausnahme in Tansania. Die Schuluniform gehört an der One World School zum Alltag. Der hauseigene Schneider wohnt und arbeitet vor Ort, fertigt Hose, Polo-Shirt und Langarm-Hemd. Sich der Sonne lange auszusetzen, ist nicht empfehlenswert.
Grundsätzlich war das Programm der tansanischen Schülerinnen und Schüler auch das der Gäste aus Marburg. Mit dem Essen haderten sie etwas. Sehr einfach, sehr gleichförmig – aber es gab Lösungen.
Safari und drei Tage am Indischen Ozean
Und es gab vieles, was den Aufenthalt des Steinmühlen-Trios aus der 10a bereicherte. Joggen zur kühleren Tageszeit, eine Wanderung, ein Besuch im Restaurant. Zu den Höhepunkten zählte die Fahrt nach Moshi, der Partnerstadt Marburgs, mit ihren 220.000 Einwohnern die sauberste Stadt Tansanias. Ein Marktbesuch, drei Tage am indischen Ozean in einem Strand-Hotel und ein fünftägiger Safari-Trip entschädigten für die bohnendominierte Speisekarte, die sich nach Rücksprache mit dem „Foodleader“ mit einem neuen Plan versehen ließ: Spaghetti, Reis mit Tomatensoße, Früchte.
Eine Kuh zum Schulfest
Dr. Beatrix Freibert, Lehrerin der Steinmühle und Begleitung in der afrikanischen „Einführungsphase“, bestätigt das. Die etwas andere Art zu bewerten, die andere Art, Respekt zu zollen – auch sie blieb in bester Erinnerung so wie die Kuh, das Geschenk eines Schülervaters zum Schulfest.
Besuch von Kunstschule und Massai-Museum
Um möglichst viel zu sehen und kennenzulernen, wurden die Steinmühlenschüler mit vielen örtlichen Gegebenheiten vertraut gemacht. Ein Besuch der Sisal-Materialfabrik mit ihrem Export nach Saudi-Arabien, ein Intermezzo in der der Salzfabrik, in der Kunstschule und eine Stippvisite in Bagamoyo, der „Hauptstadt der Deutschen“, die gleichzeitig indische und arabische Einflüsse hat. Beigeisternd auch die zweigrößte Stadt Arusha, der Nationalpark, der Schlangenpark, das Massai-Museum.
Die Schule selbst, die Gastgeberin der Steinmühle, beherbergt rund 150 junge Menschen von 11-24 Jahren als Boarding School, also Internat. Sie lernen Englisch, Deutsch und Suaheli. Dr. Beatrix Freibert hat registriert: „Die Gemeinschaft hat einen noch höheren Wert als bei uns. Jeder trägt viel Verantwortung für sich selbst und lebt die Gemeinschaft. Man hilft sich dort gegenseitig – eine andere Möglichkeit hat man nicht“.
Den Standard zu Hause schätzen gelernt: „Mir kamen da die Tränen“
Paul, Matteo und Ida bestätigen das, sie haben mit praktisch allen Schülern Kontakt aufgebaut. „Alle waren sehr freundlich“. Dass zwei weitere Schüler bei Paul und Matteo im Zimmer schliefen – das sei nun mal so.
„Den Standard zu Hause haben wir schätzen gelernt“.
Paul erinnert sich. Noch die kargen Verhältnisse aus Tansania im Kopf, traf er wieder zu Hause ein und öffnete den Kühlschrank. Von diesem Moment berichtet er, als ob er immer noch ergriffen ist. „Mir kamen da die Tränen“.
