Eintauchen ins „normale Leben“: Ein Besuch im Amtsgericht
Im Januar besuchte die Klasse 8c des Gymnasiums Steinmühle im Rahmen des Projekts „Jugend und Kriminalität“ mit Lehrerin Dr. Claudia Röder das Amtsgericht Marburg in der Universitätsstraße. Die Schülerinnen Greta Steiner und Evelyne Hildermann schreiben dazu:
Ein Strafverfahren wollten wir verfolgen. Nach dem Passieren der Sicherheitskontrolle fing um 9.30 die Verhandlung an. Der Gerichtssaal war ein kleiner Raum, der in zwei Abteilungen aufgeteilt war: In dem einen Abschnitt konnten Zuschauer sitzen und in dem anderen Abschnitt saßen der Staatsanwalt, die Richterin, eine Justizfachangestellte, die das Verfahren protokollierte und der Angeklagte.
Als die Verhandlung beginnen sollte, trat kein Angeklagter ein und die Richterin befürchtete, dass sie den Angeklagten holen lassen müsste. Der Staatsanwalt wollte sich noch einmal vergewissern, dass wirklich niemand da ist und traf dabei auf dem Flur auf den Angeklagten.
Der Angeklagte kam ohne Anwalt und wollte sich selbst verteidigen. In dem besuchten Verfahren wurde der Angeklagte beschuldigt, auf einer Hausparty mit insgesamt etwa 10 Personen seiner Frau und einem Bekannten gegenüber gewalttätig geworden zu sein und später Widerstand gegen Vollzugsbeamte geleistet zu haben.
Der Angeklagte bestritt den Tatverlauf und sagte, dass er nie gewalttätig geworden sei. Da jedoch fünf Zeugen ihn als gewalttätig beschrieben, wurde er schuldig gesprochen. Er bekam sieben Monate Freiheitsstrafe auf drei Jahre Bewährung und eine Geldstrafe von 600 Euro, welche er in Raten abbezahlen darf.
Der Zeuge, der unentschuldigt nicht erschien, bekam eine Strafe von 150 Euro oder drei Tage Arrest.
Alle waren sichtlich betroffen darüber, dass Taten, die eigentlich von uns Jugendlichen als „nicht so schlimm“ bewertet wurden, zu einer Freiheitsstrafe geführt haben.
Wir folgten alle gebannt der Verhandlung und fanden den Ausgang spannend. Gleichzeitig merkten wir, dass der Angeklagte aufgrund seiner sprachlichen Schwierigkeiten nicht alles verstanden hatte, was der Staatsanwalt oder die Richterin sagten. Der Begriff „auf Bewährung“ war ihm beispielsweise unbekannt, so dass er auf das Urteil entsetzt reagierte.
Alles in allem war es ein gelungener Vormittag und es war cool, auch mal ins „normale Leben“ einzutauchen.