Das Medienpädagogische-Konzept des Steinmühleninternats
Ein Gespräch mit Marion Widera, Medienpädagogin des Internats
Medien nehmen einen zunehmend größeren Raum im Alltag unserer Kinder- und Jugendlichen ein. Aus diesem Grund ist es wichtig, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und gemeinsam darüber ins Gespräch zu kommen, eine Haltung zu den Themen zu entwickeln, welche es uns erlaubt in der Medienwelt immer einen inneren Kompass dabei zu haben.
Marion Widera tut genau das in der Steinmühle. Sie ist seit September 2019 Medienpädagogin im Internat und arbeitet mit dem pädagogischem Team und den Kindern und Jugendlichen in den Bereichen Medienpädagogik und Medienbildung.
„Frau Widera, sie sind seit 2019 Medienpädagogin am Internat der Steinmühle, wie wurde damals begonnen?“
Marion Widera: „Die Stelle der Medienpädagogin wurde damals neu konzipiert. Das pädagogische Team und ich sind gemeinsam gestartet und haben uns an das Thema heran getastet. Zunächst habe ich im Internat abgefragt, was aus der Sicht der einzelnen Parteien zum Thema Medien wichtig ist. Welche Themen sind den Pädagogen wichtig, was wünschen sich die Kinder und Jugendlichen im Internat. So entwickelte sich eine Vorstellung wo wir ansetzen sollten.“
Wie ging es nach den Abfragen konkret weiter?
M.W.:„Es gab zunächst Workshops für die Internatsgemeinschaft. Dabei wurden wöchentlich Workshops zu den Lernbürozeiten angeboten. Wir haben uns dort gemeinsam mit unterschiedlichen Themen beschäftigt. Angefangen bei der zielgerichteten Suche mit Google. Dabei haben wir die erweiterten Funktionen benutzt und kennengelernt. Was vor allem bei einer gezielten Suche für bestimmte Themen von Vorteil ist. Darüber hinaus wurden Spiele zum Thema Datenschutz oder Fake News gespielt und besprochen. Aber auch Themen wie Rollenbilder von Männern und Frauen in den Medien wurden behandelt. Außerdem bekamen Interessierte die Möglichkeit Ihr Lieblingsspiel aus der Perspektive eines Game Testers zu erleben. Nach einer Weile spielen, wurde anhand eines Fragebogens das Spiel mit unterschiedlichen Kriterien analysiert und bewertet. Zu den Kriterien gehörten z. B. Grafik, Musik, Darstellung, Authentizität, Einschätzung der Altersfreigabe, Spaßfaktor, Unterhaltungsfaktor etc.
Wie kam es dazu, dass die Workshops auch in der Schule Implementierung fanden?
Es entstand eine Zusammenarbeit mit dem damaligen JUMBA-Beauftragten (Jugendmedienschutzbeauftragter) der Schule, Marcel Kalb. Aktuell arbeite ich diesbezüglich mit Tim Elmshäuser zusammen, der das Amt übernommen hat. Wir haben gemeinsame Überlegungen angestellt, wie wir das Thema mehr in den Schulalltag bringen können und sind für den Einstieg auf die Idee mit den Workshops gekommen. Zu der Zeit wurden bereits iPads eingeführt und uns war klar, es ist nicht ausreichend nur den Umgang mit der Technik zu unterstützen, die digitalen Angebote und Anwendungen, müssen ebenfalls Berücksichtigung erfahren und deren Nutzung begleitet werden.
Mittlerweile sind die Workshops zur Medienpädagogogik und Medienbildung in der Stundentafel fest verankert. In den Jahrgangstufen 5 – 10 findet seit zwei Jahren pro Halbjahr ein dreistündiger Workshop statt. Für das kommende Schuljahr wird die Stundenzahl erweitert auf zwei Mal zwei Stunden pro Halbjahr.“
Welche Themen werden besprochen?
M.W.: „Wir haben zu Beginn verschiedene Themen getestet. So ist ein Themenkatalog entstanden, Workshopthemen sind z.B. Cybermobbing, Cybergrooming, Traumberuf Influencer, Hate Speech, Urheberrecht, Social Media, Always On (was bedeutet es immer Online zu sein?).“
Wie werden die Workshops von den Kindern und Jugendlichen angenommen?
M.W.: „Das ist sehr unterschiedlich. Tendenziell sind die jüngeren Schüler:innen, im Alter von 11 – 14 Jahren offener und teilen gerne ihre persönlichen Erfahrungen in der digitalen Welt. Man merkt, dass das Thema sie sehr beschäftigt, sie kommen auch noch nach dem Workshops in der Pause auf mich zu und haben Gesprächsbedarf und teilen ihre Erfahrungen. Bei den älteren Schüler:innen, so ab dem 14. Lebensjahr sieht das etwas anders aus, ggf. kann man die Angebote für diese Zielgruppe noch optimieren. Aktuell füllen die Teilnehmer:innen nach jedem Workshop ein Fragebogen aus und ich bin schon gespannt auf die Auswertung.“
Neben der direkten Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen wurde kontinuierlich am Medienkonzept des Steinmühlen Internats gearbeitet, wie ist der aktuelle Stand?
M.W.: „Das Medienpädagogische Konzept ist fertig. Ab dem Schuljahr 2023/2024 geht es offiziell in die pädagogische Arbeit ein.“
Was ist das Medienpädagogische Konzept genau?
„Wenn man es runterbrechen will, ist es ein Leitfaden für das päd. Team und auch für Eltern zum Umgang mit Medien. Es gibt die vier großen Themen, welche bei Kindern und Jugendlichen immer wieder auftreten können: Cybermobbing, Fake News, Sexting und exzessive Mediennutzung. Für diese vier Bereiche erhalten sowohl Pädagog:innen und Eltern als auch die Kinder und Jugendliche Tipps zum Umgang im Konzept. Und es geht um unsere Haltung als päd. Team, als Steinmühle zum Thema Medien und Mediennutzung. Wir wollen nicht negativieren, sondern gemeinsam mit den Schüler:innen genau hinschauen. Medienkonsum und Social Media können digitalen Stress auslösen, können uns unter Druck setzen. Die Chancen und Risiken zu beleuchten und eine kritische Auseinandersetzung mit den Medien anzuregen ist unser Ansatz.“
Wie wird dieser Ansatz bisher angenommen?
M.W.: „Bei den Kindern und Jugendlichen ist es ein langer Prozess. Bisher haben wir Reglementierungen für die Nutzung digitaler Medien, die sich am Alter der Schüler:innen orientieren. Die Pädagog:innen sind in der undankbaren Rolle, diese Regeln mit umzusetzen, sodass das Thema Medien davon negativ berührt wird. Das kennt wahrscheinlich jede Familie, dass das Thema Handyzeit auch zu Auseinandersetzungen führen kann. Ich denke diese Verknüpfung macht es für die SuS schwieriger zu sehen, dass die Pädagog:innen auch andere Interessen beim Thema Medien und Smartphone verfolgen und eben nicht per se „dagegen sind“ – was im Übrigen auch nicht unserer Haltung entspricht.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Medienpädagogik an der Steinmühle?
M.W.: „Dass dem Thema keine Sonderposition mehr anhaftet. Ein natürlicher und offener Umgang mit dem Thema bei Pädagogen, bei Eltern und bei den Kindern und Jugendlichen. Erwachsene bewegen sich bei dem Thema mitunter wie auf Glatteis, weil sie sich den Kindern und Jugendlichen nicht ebenbürtig fühlen, sich nicht „richtig“ auskennen. Ich habe in meinen Workshops die Erfahrung gemacht, dass es wichtig ist authentisch, neugierig und wertfrei in den Dialog mit den Schüler:innen zu gehen. Es ist ganz natürlich, dass man voneinander lernt, und eben auch im Bereich Medien, digitaler Welt, ich kann mir die Dinge zeigen lassen, ich muss nicht in den Workshop zum Thema „Traumjob Influencer“ gehen und alle Stars kennen. Diesen Input bringen die Schüler:innen mit und freuen sich darüber davon zu erzählen und mich in ihre Welt mitzunehmen. Und ich kann gemeinsam mit ihnen auf ihre Stars schauen und die Marketingstrategie hinter dem Influencer transparent machen.“