Den eigenen Standpunkt klargemacht: Politische Spitze diskutierte mit Schülerschaft
Steinmühlen-Oberstufe zeigte großes Interesse am Dialog mit den Kandidierenden
Sämtliche Spitzenkandidaten des Landkreises, die bei der bevorstehenden Landtagswahl antreten, versammelten sich auf dem Podium im Forum der Steinmühle, um vor den Klassen 12 und 13 zu brisanten politischen Themen Stellung zu nehmen. Die meiste Energie legten die Politiker dabei in die eigene Abgrenzung zum politischen Gegner.
Vor einer vollen Aula zu sprechen, vor Schüler:innen, die in diesem oder im nächsten Jahr zu den Erstwählern gehören, dürfte für die Kandidaten den besonderen Reiz dieses Termins ausgemacht haben. Die Fragen, zu denen Stellung bezogen werden sollte, wurden von Jonathan Eckardt und Jan Templer vorgegeben. Sie besuchen den Leistungskurs “Politik und Wirtschaft” des Steinmühlen-Jahrgangs 12.
Die Fragen der beiden jungen Diskussionsleiter und die erweiternden Zwischenfragen aus dem Auditorium bezogen sich unter anderem auf die Meinung zum Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor, auf die Haltung zur Geschlechterfreiheit, zur Gender-Sprache, aber auch zum Marburger Verkehrskonzept Move 35 und der damit ebenfalls zusammenhängenden Überlegung, wie denn Menschen aus dem Marburger Umland, speziell ältere Menschen aus den Stadtteilen, sich ihre mobile Zukunft vorstellen sollten. Besprochen wurden aber auch allgemeine Fragen wie die vorgestellte Lösung für den Lehrkräftemangel oder die aus Kandidat:innen-Sicht realisierbaren und angezeigten Umweltschutzmaßnahmen, um nur Beispiele zu nennen.
Überraschungen zu den Antworten blieben in Anbetracht der grundsätzlich bekannten Positionen der einzelnen Parteien eher aus. Die Haltungen der Kandidat:innen polarisierten teilweise, und wenn etwas als vorbildlich bei der Veranstaltung bezeichnet werden kann, dann die Tatsache, dass sie in meist sachlicher Atmosphäre stattfand.
Es hätte noch weiteren “Stoff” für eine Fortführung der Diskussion gegeben. Doch leider reichte die Zeit, auf 90 Minuten angesetzt, dafür nicht aus. Von politischer Gleichgültigkeit unter jungen Menschen, wie sie in der Öffentlichkeit häufig postuliert wird, kann an der Steinmühle jedenfalls keine Rede sein.
Der Steinmühle war es dank der Organisation von Fachlehrerin Dr. Claudia Röder gelungen, die Kandidatinnen und Kandidaten aller Parteien ohne Ausnahme für die Schulveranstaltung zu gewinnen. Schulleiter Björn Gemmer bedankte sich bei ihr und bei den politischen Gästen für diesen außergewöhnlichen und fruchtbaren Vormittag, der für die Schülerschaft ein weiterer wichtiger Schritt zur politischen Meinungsbildung gewesen sein dürfte.
Diese Besetzung versprach eine rege Diskussion. Im politischen Austausch waren mit den Schülerinnen und Schülern (von links) Jan Schalauske (Die Linke), Sebastian Sack (SPD), Angela Dorn (Bündnis 90/Die Grünen), Lisa Deißler (FDP), Dirk Bamberger (CDU), Pascal Schleich (AfD). Durch den Vormittag führten Jonathan Eckardt und Jan Templer (Mitte).
Aufgeschnappt:
Angela Dorn (Bündnis 90/Grüne)
Der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor war eine EU-Entscheidung. Das wird oft vergessen.
Dass es mehr als zwei Geschlechter gibt, hat auch das Bundesverfassungsgericht entschieden. Man erkennt es übrigens auch in der Tierwelt.
Wir haben die Mittel für Straßensanierung verdoppelt. Die FDP ist aber immer nur für Neubau, nie für Erhalt.
Die Radwege-Planung braucht in Deutschland zu lange.
Betreffend den Öffentlichen Personennahverkehr sind wir nach wie vor für “Jedes Dorf jede Stunde”. Das kann aber nicht kostenlos sein.
Die größte Ressource ist unser Kopf.
Es braucht einen echten pädagogischen Aufbruch. Da kann die Steinmühle eine Vorbildfunktion haben.
Geht ins Ausland! Nehmt euch Zeit, genau zu schauen. Macht Praktika! (an die Schülerschaft gewandt, bezüglich Berufsorientierung).
Unser Wohlstand ist gefährdet, wenn wir die Klimaziele nicht erreichen.
Dirk Bamberger (CDU)
Wir müssen erkennen, dass auch Stromenergie nicht vollständig CO2-neutral ist.
Ich sehe die Gender-Sprache kritisch. Für Behinderte bedeutet sie eine Verkomplizierung der Sprache.
Move35 verschwand plötzlich hinter verschlossenen Türen. Das Konzept geht gegen das Auto.
In 10 bis 15 Jahren gibt es vielleicht autonomen Verkehr, auch Busverkehr.
Schülerticket für alle – man muss auch überlegen, wie das finanziert werden soll.
Wir haben in Hessen derzeit so viele Lehrer wie noch nie bei so wenig Schülern wie noch nie – und so viele Schulpsychologen wie noch nie.
Lisa Deißler (FDP)
Es stellt sich die Frage, ob der Zeitpunkt (für den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor) klug ist. Und ob wir die Infrastruktur zum Laden (der E-Autos) haben.
Bei Move35 verstehe auch ich vieles nicht.
Wie für einen grünen Verkehrsminister (Tarek Al Wazir) sind in Hessen Schienen- und Radwege unterentwickelt.
Wir brauchen den Individualverkehr. Sonst wird es duster in den Außenstadtteilen.
Wir brauchen eine Technologie der Zukunft und müssen dahingehend weiter forschen.
Bei der Sanierung müssen die staatlichen Gebäude erst mal ran, bevor man den Leuten Vorschriften macht.
Pascal Schleich (AfD)
Der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor ist eine komplette Fehlentscheidung. Wir haben gar nicht die Energie für E-Autos.
Wir werden ausgelacht. Biologisch gibt es nur zwei Geschlechter.
Bei Lehrern gibt es einen höheren Krankenstand als in anderen Berufen. Das liegt an Überarbeitung.
Wir sind für den Erhalt von Förderschulen. Inklusive Klassen bedürfen ausgebildeter Lehrkräfte.
Beim Klimaschutz müssen wir die anderen mitnehmen und erst mal in die Pflicht holen.
Sebastian Sack (SPD)
Wir müssen Verantwortung übernehmen. Auf Dauer bedeutet das für den Verbrenner das Aus.
Für entlegene Dörfer im Landkreis braucht es weiter den Individualverkehr.
Ich bin für kleine Busse, kurze Taktung.
Der Bürgerbus ist eine sinnvolle Einrichtung.
Bildung muss kostenlos sein. Egal, ob Meister oder Master.
Wichtig ist es, Häuser zu sanieren.
Wir sollten aufhören, uns zu zerhacken.
Jan Schalauske (Die Linke)
Wir müssen alles tun für die Klimaziele. Das Aus (für den Verbrenner) ist richtig.
Ich sehe das Thema Gendern wie Frau Dorn. Das hat etwas mit Respekt zu tun.
Man sollte Straßen zu Gunsten des Fuß- und Fahrradverkehrs umwidmen.
Das Car Sharing Konzept ist für den ländlichen Raum wichtig.
Meine Vision für den Öffentlichen Personnennahverkehr: Kostenfreiheit, Nulltarif.
Bildungserfolg ist immer noch vom Einkommen der Eltern abhängig.
Für mehr Lehrkräfte sollte man auf Quereinstieg setzen.