Die Vision einer Gesundheitsdiktatur: DS-Kurs 12 inszeniert „Corpus Delicti“
Manche nennen das Werk den „deutschen George Orwell der Gegenwart“. 2009 schrieb die Autorin Juli Zeh den Titel „Corpus Delicti“. Den in der Zukunft spielenden Roman inszenierte der DS-Kurs der Jahrgangsstufe 12 im Forum der Steinmühle. Er zeichnet das Szenario des totalitären Überwachungsstaates im Hinblick auf die Gesundheit seiner Bürgerinnen und Bürger. Der Staat, „die Methode“, hat dazu das Recht, in die Privatsphäre einzugreifen. Oder anders: Sie nimmt es sich.
Es fängt mit der Definition an. Was ist Gesundheit? „Die Methode“ definiert dies als körperliches, geistiges und soziales Wohlbefinden. Nur wer richtet darüber, wer sortiert ein?
Vorsicht ist jedenfalls angebracht. Das Auge der 4. Gewalt schläft nie. Und so sieht es, wer sich untersteht, einen Lebenswandel zu führen, der nicht „immunologisch kompatibel“ ist. Ein guter Mensch raucht und trinkt schließlich nicht. Mehr noch: Methodenfeinde gefährden auch das Allgemeinwohl. Und um sie aufzuspüren, ist jedes Mittel recht.
Jedes Mittel? Ja, wirklich jedes! Oder wer hätte an Sensoren im Klo gedacht, mit denen der Staat die Magensäurekonzentration misst? Nur ein Beispiel für Transparenz, der man sich unterwerfen muss.
Welt aus Ingwer-Shots und Smoothies
„Die DS-Gruppe hat sich mit diesem Stück der hochaktuellen Thematik der Fitnessoptimierung, der Big-Data-Debatte, dem Phänomen eines Überwachungsstaates und dem Spannungsfeld zwischen staatlicher Sicherheit und Freiheit gewidmet,“ erläutert Melisande Lauginiger, die zusammen mit Manuela Schmidt für Drehbuch und Regie verantwortlich zeichnete. „Das Stück zeigt auf, wohin es führen kann, wenn man seine Freiheit in einem Staat unter dem falsch verstandenen Glauben an eine staatlich garantierte Sicherheit aufgeben muss.“ Die insgesamt 19 Schülerinnen und Schüler um die Protagonistin „Mia Holl“ hatten in diese ernste Thematik für Lacher und Kurzweil einige Witze und Gags eingebaut – und sei es, dass die Schulleiter Björn Gemmer und Bernd Holly beim Weintrinken oder Sahnetorteessen erwischt wurden – in der Welt aus Ingwer-Shots und Smoothies natürlich ein No-Go.
„Das Stück,“ so Melisande Lauginiger, „entführt uns in eine Gesundheitsdiktatur, in der Gehirnwäsche, Unterdrückung, Manipulation, Folter und Tod den Menschen nicht nur zu einer Marionette machen, sondern ihn seiner Individualität berauben.“ – Ein nachdenkenswerter Bühnenbeitrag, der mit viel Applaus bedacht wurde und den Sarah Mengel (12a), Joelina Merle (12a), Alina Klähn (12a), Yunxi Zhang und Fabian Diedrich (12c) unter Leitung von Kunstlehrerin Ines Vielhaben mit Plakaten illustriert hatten.
Ein pfiffiger „Opener“
„Wir sind die Vorgruppe des DS-Kurses“ – mit diesen Worten hatte ein 6köpfiges Darsteller-Team der AG Theater 5/6 den Abend im Vorfeld professionell eröffnet. Hier drehte sich alles um ein 5.000-Euro-Darlehen, eine Geldübergabe im Park, um „Manfred“, der einen Mord ausführen sollte und um eine Person, die als spätere Leiche einen schauspielerisch wirklich guten Job machte. Die Gruppe um Lehrerin Dagmar Müller hat Potenzial – und wird wohl in einigen Jahren an Stelle der Hauptakteure auftreten. Wir sind gespannt!